Zellzahl
Die Zellzahl ist bekanntermaßen ein Maßstab für die Eutergesundheit und Milchqualität. Daher ist sie auch Bestandteil der Milchgüteprüfung und entscheidendes Kriterium für die Bezahlung und Lieferfähigkeit der Rohmilch. Gemessen wird der Gehalt an Körperzellen pro Milliliter Milch. Bei gesunden Eutern liegt die Zellzahl zwischen 10.000 bis maximal 100.000. Hierbei handelt es sich um die Folgen der normalen Regeneration des Eutergewebes. Höhere Zellzahlen sind hingegen ein klassisches Anzeichen gestörter Eutergesundheit. Sie sollten daher Anlass für eine umfassende Analyse der Melktechnik, Melkroutine, Stall- und Melkhygiene sowie der Fütterung und der betroffenen Tiere sein. Denn hohe Zellzahlen sind stets mit einem Verlust an Milchleistung und der Gefahr chronisch werdender Eutererkrankungen verbunden. Im Umkehrschluss kann durch eine frühzeitige Melkberatung und Mastitisberatung verhindert werden, dass Euterentzündungen heftiger werden und sich dauerhaft in Ihrer Herde etablieren.
Spätestens bei einer Zellzahl von über 200.000 liegen Eutererkrankungen vor. Diese werden jedoch oft nicht erkannt bzw. nicht ernst genommen. Denn der größte Anteil der Euterentzündungen verläuft ohne sichtbare Anzeichen, wie z.B. geschwollene Euterviertel oder sinnfällig veränderte Milch (wässerig, flockig, zäh, verfärbt). Tierärzte nennen das „Subklinische Mastitis“. Die zuvor genannten Grenzwerte gelten übrigens auch für Altkühe. Es ist zwar richtig, dass diese in vielen Betrieben höhere Zellzahlen aufweisen als Jungkühe. Das bedeutet jedoch nicht, dass Mastitis die „Berufskrankheit der Kuh“ ist bzw. dass hohe Zellzahlen ein unabwendbares Schicksal alter Kühe sind. Vielmehr lassen solche Ergebnisse der Milchleistungsprüfung lediglich erkennen, dass es in vielen Betrieben nicht gelingt, vorhandene Mängel zu erkennen bzw. zu beheben. Daher ist es auch nicht gerechtfertigt, dass einige LKV für Kühe ab der 2. Laktationsperiode erst dann erhöhte Zellzahlen ausweisen, wenn letztere über 400.000 liegen.
Wird erst bei Überschreiten solch stark erhöhter Zellzahlen eingegriffen, ist chronische Mastitis vorprogrammiert. Das bedeutet, dass das Eutergewebe dauerhaft (als nicht mehr heilbar) geschädigt bzw. infiziert wird. Klassisches Beispiel einer chronischen Euterinfektion ist die mit dem Krankheitserreger Staphylococcus aureus. Dieser Keim setzt sich im Bindegewebe des Euters dauerhaft fest, wenn die erkrankten Kühe nicht umgehend nach der Infektion behandelt werden. Naturgemäß steigt das Risiko einer solch lebenslangen Euterinfektion, wenn die zugrundeliegenden Ursachen (wie z.B. mangelhafte Melktechnik, unzureichende Hygiene bzw. nicht bedarfsgerechte Nährstoffversorgung) in einem Betrieb dauerhaft bestehen. Denn dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Infektion zu spät erkannt wird. Handlungsbedarf besteht also nicht erst, wenn die Zellzahlen derart hoch sind, dass der Verlust des eventuell auf den Milchpreis gewährten Qualitätszuschlags oder der Lieferfähigkeit droht.
Trotz der großen Bedeutung sind niedrige Zellzahlen alleine noch keine Gewähr einer nachhaltig guten Eutergesundheit. Das gilt insbesondere, wenn die Zellzahlen in einem Betrieb gering sind, obwohl hier ähnliche Mängel bestehen wie in anderen Betrieben mit hohen Zellzahlen. Eine eingehende Analyse ergibt in solchen Fällen, dass es sich hier weder um ein „unerklärliches Phänomen“ noch um den Unschuldsbeweis bekanntermaßen schädlicher Faktoren handelt. Scheinbar wundersam niedrige Zellzahlen werden nämlich üblicherweise durch eine erhöhte Bestandsergänzungsquote (Remontierungsrate) und/oder erhöhte Anzahl an Euterbehandlungen erkauft. Ziel seriöser Melkberatung und Mastitisprophylaxe muss es also sein, geringe Zellzahlen bei gleichzeitig geringer Remontierung sowie wenig Euterbehandlungen zu erzielen. Dass so etwas keine Hexerei ist, belegen zahlreich Hochleistungsbetriebe mit Milchleistungen von über 10.000 kg pro Kuh und Jahr, in denen die Durchschnittszellzahl der Herde laut Milchleistungsprüfung dauerhaft unter 100.000 liegt. Und das bei einer Bestandsergänzungsquote von deutlich unter 25 % und einer nicht nennenswerten Anzahl behandlungswürdiger Eutererkrankungen. Anhaltend gute Eutergesundheit ist also auch bei hohen Milchleistungen möglich.
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