Nachmelken

Wie Nachgemelke entstehen und wie man damit umgehen sollte

Nachgemelke entstehen entgegen verbreiteter Meinung nicht primär durch das berühmte Klettern der Melkbecher. Dieses ist nur das Ende eines längeren Prozesses. Der beginnt damit, dass sich bei nachlassender Euterfüllung am Euterboden innere Hautfalten bilden. Und die behindern den Abfluss der von oben noch langsam nachkommenden Milch. In der Folge werden die Zitzen leer gemolken, so dass sie erschlaffen. Erst jetzt saugen sich die Melkbecher nach oben und schnüren die ohnehin schon eingeengte Zitzenbasis vollends ab.

Um die blockierten Abflusswege wieder frei zu machen, muss man die Melkzeuge nach unten drücken und so das erschlaffte Eutergewebe straffen. Durch ein generell hohes Melkzeuggewicht lässt sich dieser Vorgang leider nicht ersetzen. Denn die Melkzeuge saugen sich an den erschlafften Eutern wesentlich stärker fest als an den zu Beginn noch festen Eutern. Ein sehr hohes Melkzeuggewicht hätte somit zur Folge, dass es während des Hauptmelkens zu noch mehr Luftsaugen käme, als es wegen fehlender Schlaucharme oder unpassender Zitzengummis ohnehin oft der Fall ist.

Im Interesse hoher Milchleistung und guter Eutergesundheit sollten Nachgemelke von über ca. 300 ml aus den Eutern entfernt werden. Sie können dies ohne Angst vor dem oft befürchteten Gewöhnungseffekt tun oder Nachmelkautomaten einsetzen. Die Nachgemelke nehmen zwar im Laufe der Jahre tatsächlich von anfangs oft nur 100 bis 200 g auf 1 kg und mehr zu (s. hier). Allerdings nicht auf Grund von Gewöhnung, sondern da die Euter mit zunehmendem Lebensalter größer und schlaffer werden. Solche Euter bilden bei abnehmender Füllung früher und stärker die zuvor erwähnten inneren Hautfalten als kompakte Euter junger Kühe. Hier liegt das Problem und nicht in einer angeblichen zusätzlichen Oxytocinausschüttung durch Nachmelken. Diese findet erwiesenermaßen nicht statt.

Mithin hat die Euteranatomie wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Nachgemelke. Daneben ist auch der Melkvorgang entscheidend. Bestehen dort Mängel (z.B. unzureichende Stimulation, schief hängende Melkzeuge, zu geringes oder zu hohes Zitzenvakuum, mangelhafte Pulsation oder Zitzengummis), sind die Nachgemelke zwangsläufig höher als anatomisch unvermeidbar.

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